Kollegiale Beratung - wie geht das eigentlich richtig?
Aktualisiert: 23. Okt.
Braucht man ein Rezept für "Grilled Cheese Sandwich" ? Nö ! Braucht kein Mensch! Der Name ist ja das Rezept...
Auf den ersten Blick scheint das auch bei der kollegialen Beratung (oder auch Peercoaching) so zu sein...
Ich glaube allerdings, wenn man das Ganze strukturiert angeht (und eben doch ein Rezept hat) lässt sich für alle Beteiligten deutlich mehr herausholen!
Welche sieben Schritte aufeinanderfolgen und welchen Mehrwert eine wirkliche Moderation liefert, erfährst Du in diesem Artikel.
Kollegiale Beratung - Was ist das?
Kollegiale Beratung (oder auch oft kollegiale Fallberatung) ist eine tolle Methode zur gemeinsamen Beratung und Beantwortung konkreter Fragestellungen. Ob scheinbar banal oder knifflig, ob fachlich oder zwischenmenschlich … immer sind alle hinterher etwas schlauer und haben neue Perspektiven und Ideen.
Es ist dabei auch völlig egal, ob die Mitarbeiter:innen bzw. Führungskräfte neu in ihrer Rolle sind oder schon sehr erfahren - es profitieren immer alle. (langsam wird klar, warum ich die Methode liebe (!), oder? Sie ist Bestandteil aller Führungstrainings, die ich - alleine oder mit Kolleg:innen - gebe.
Ein weiteres Plus:
Neben den Lösungen selbst stärkt die Methode das Netzwerk und Zusammengehörigkeitsgefühl der Beteiligten.
Und was man nicht vergessen sollte:
Auch für uns Erwachsene ist das Gefühl, etwas (in der Gruppe) selbst geschafft/gelöst zu haben, super motivierend! 💪🏼😁
Ist der Name nicht schon das Rezept?
Genau das habe ich am Anfang auch gedacht … ein paar Kolleg:innen zusammentrommeln, Problem schildern und los gehts …
Leider ist es oft schwer, von der Betrachtung des Problems in Richtung Lösung zu kommen.
Wenn Du Dich an diese 7 Schritte hältst, kannst Du wirklich für alle das meiste herausholen:
1. Die Fallbeschreibung (1 min)
Fallgeber:in A beschreibt möglichst knapp und präzise den Fall und endet mit einer konkreten Fragestellung "Wie kann ich....?".
2. Klärung der Details (2 min)
Die Berater:innen B+B+B stellen Verständnisfragen (hier bitte noch ohne Kommentar oder Lösungsvorschlag). Alles, was hilfreich ist, um später gute Ideen zu entwickeln, ist ok.
Alles, was ich nur frage, um z.B. zu wissen, um wen genau es geht oder um zu zeigen, dass ich das ja gaaanz einfach lösen kann, ist nicht hilfreich und darum auch nicht erlaubt.
Was jetzt kommt, ist kein MUSS, aber sehr hilfreich:
Fallgeber:in A dreht sich um, sitzt hinter einer Trennwand oder macht - im virtuellen Format - Kamera und Mikro aus. Lauschen und Notieren ist explizit erwünscht!
3. Hypothesenbildung (2 min)
B+B+B stellen Hypothesen auf zu den Ursachen, Gründen und Emotionen "unter der Oberfläche". Hilfreiche Formulierungen: "Es könnte sein, dass..." oder "Möglicherweise spielt eine Rolle, dass..."
Auch hier geht es noch nicht um Lösungen, sondern darum, das Problem zu beleuchten und alle unausgesprochenen Dinge auszusprechen.
4. Ergänzung der Hypothesen (1 min)
Fallgeber:in A kommt zurück und kommentiert die Hypothesen und gibt - falls möglich, und nötig Hinweise, in welche Richtung es sich zu blicken lohnt und welche schon erkundet wurde.
Wichtig:
Es geht hier nicht um Rechtfertigung oder Schuldeingeständnis! Es geht nur darum, die Berater:innen möglichst zielgerichtet einzusetzen und die Ressourcen nicht zu vergeuden.
Fallgeber:in A dreht sich wieder um, setzt sich hinter die Trennwand. Oder schaltet die Kamera aus. Lauschen und notieren explizit erwünscht!
5. Lösungsideen sammeln (5 min)
B+B+B finden in einem Brainstorming so viele Lösungsansätze wie möglich und halten alle (!) fest. Falls die Ideensammlung stockt, hilft es, die Fallfrage nochmal durchzulesen und zu fragen: "Was könnte A noch tun?"
6. Nennen der Lieblingslösungen (1 min)
B+B+B nennen jeweils die eigenen Lieblings-Lösungen und erklären in einem (!) Satz, warum sie diese für die geeignetste halten.
7. Das Finale (3 min)
Fallgeber: in A kommt wieder dazu und darf nun
a) Danke sagen
b) sich für die eigene Lieblingslösung entscheiden
c) eine:n Check-Up-Buddy B für den (Time) Check wählen.
Vereinbart wird zwischen Fallgeber:in A und dem Check-Up-Buddy B das WAS, WANN, WIE und natürlich auch wann A Rückmeldung über den Fortschritt gibt!
Welchen Mehrwert bietet eine Moderation?
Bei einer erfahrenen Gruppe, in der alle Mitglieder die Schritte und Regeln verinnerlicht haben, ist meist keine explizite Moderator:innen-Rolle notwendig.
Lernt eine Gruppe die Methode aber ganz neu kennen, ist es am Anfang sehr hilfreich, wenn jemand die Moderation übernimmt.
Das kann bei kleinen Gruppen auch ein:e B sein. Entscheidend ist dann, dass klar ist, was Moderation bedeutet, nämlich dafür zu sorgen, dass der Prozess eingehalten wird.
Dafür ist wichtig, dass die:derjenige sich inhaltlich weitestgehend zurückhält.
Die Moderations-Aufgaben:
Die Schritte der kollegialen Fallberatung kurz für alle wiederholen und ggf. visualisieren.
Je nach Zeitrahmen die Dauer der einzelnen Schritte festlegen (3 + 4 kann ggf. entfallen)
In der Klärungsphase darauf achten, dass a) nur relevante Details geklärt werden und b) nicht bereits mit der Beratung begonnen wird.
Bei der Hypothesenbildung darauf hinwirken, möglichst viele unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen.
In Stufe 4 (Kommentation der Hypothesen) ggf. eingreifen, wenn A Rechtfertigungen statt Kommentare abgibt.
Bei der Lösungssammlung darauf achten, möglichst viele Lösungen zu sammeln. Die entscheidende Frage: "Welche Möglichkeit gibt es noch?". Das "wie genau wird das umgesetzt?" ist nicht Teil der Beratung und liegt in der Verantwortung von A.
Beim Finale kann es hilfreich sein, zusammenzufassen und bei der konkreten Zielformulierung zu unterstützen.
Viel Spaß und Erfolg beim Ausprobieren!
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Vielen Dank für die tolle und übersichtliche Darstellung!