Ist Kreativität erlernbar?
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Interview mit Daniel Urban,
dem Schweizer Armeemesser für Innovationsvorhaben
Ich bin Daniel Urban zum ersten Mal als Teilnehmerin im 2-tägigen Training "Agile Essentials" begegnet und ich darf wohl sagen, es war Sympathie auf den ersten Blick! Nicht nur war das Training kurzweilig, interaktiv und lehrreich - auch was den Humor angeht sind Daniel und ich ziemlich auf einer Wellenlänge.
Es freut mich umso mehr, mich inzwischen als Kollegin zu bezeichnen, denn auch Daniel ist Teil von The People Network. Ich habe Daniel um ein Interview zu dem Thema gebeten für das er lichterloh brennt: Kreativität!
Viel Spaß!
Meine Fragen an Daniel im Überblick:
Was bedeutet Kreativität für dich?
Gibt es sowas wie den natürlichen Feind der Kreativität?
Du sagst Kreativität kann man trainieren. Erzähl mal wie das geht!
Dein Motto ist "Wir haben uns verlaufen! Scheißegal, wir kommen gut voran." Gibt es dazu eine Geschichte?
Was war dein persönlicher wichtigster Aha-Moment bezüglich Kreativität bisher?
Was lernt man in deinem Training „Agile Creativity“? Für wen ist das Training das richtige?
Warum ist Kreativität ein so wichtiger Erfolgsfaktor? Warum ist es wichtig, dass Mitarbeiter nicht nur kreativ sein dürfen, sondern diese Kompetenz auch aktiv ausbauen?
Was können Führungskräfte denn tun um in ihren Teams Kreativität zu fördern und wertzuschätzen?
Daniel, was bedeutet Kreativität für dich?
Es gibt viele Definitionen, die besagen, dass das Resultat von Kreativität etwas sein sollte, das "neu", "originell" und in irgendeiner Art "wertvoll" ist.
Ich tue mich mit den Definitionen, die auf das Ergebnis abzielen schwer, denn was "neu" und "wertvoll" ist liegt im Auge des Betrachters und hat in der Regel keine objektive Gültigkeit. Wenn ich mich dem Thema Kreativität so nähere, dass das, was ich machen will besonders groß, toll oder einzigartig sein soll, kann es sein, dass dieses hohe Ziel mich schon davon abhält ins Tun zu kommen.
Ich finde Definitionen, die Aspekte wie "wertvoll" und "neu" außen vor lassen, passender und Kreativität als Prozess sehen und nicht so sehr auf das Resultat fokussieren. Dadurch wird für mich klarer, dass Kreativität sehr viel mit "einfach mal machen" zu tun hat.
Da ist ein Problem oder eine Herausforderung, die man knacken möchte und die geht man an und schaut, was dadurch entsteht. Ob etwas neu und wertvoll ist, kann ich ja erst beurteilen, wenn ich den Weg gegangen bin. Mit anderen Worten: Kreativität heißt für mich "Machen, machen, machen!".
Kreativität bedeutet seinen eigenen Weg zu gehen und nicht prozesshaft einen Pfad abzulaufen, den schon andere gegangen sind. Das hat sehr viel mit Selbstfokussierung zu tun und ob es mir ein Stück weit egal ist, was andere von dem halten, was ich gerade mache, weil es für mich selbst einen Wert hat.
Meine persönliche Definition von Kreativität ist "Die Freude am Erleben der eigenen Selbstwirksamkeit". Und wenn ich mich das gerade sagen höre, könnte die vielleicht auch lauten "Die Freude an der Arbeit, die für mich selbst bedeutsam ist".
Gibt es sowas wie den natürlichen Feind der Kreativität?
Ja, mir fallen spontan sogar zwei Feinde ein:
Der erste Feind ist unser eigenes Gehirn. Unsere graue Masse ist ein unglaublich energiefressender Apparat, der auf effizientes Denken getrimmt ist und deswegen oft im "Automatik-Modus" arbeitet, um Energie zu sparen. In der Regel versucht es den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und zu denken was schon mal gedacht wurde. Das bedeutet dieser "Automatik-Modus" verhindert unter Umständen, dass ich mir kreativ über eine Herausforderung Gedanken mache. Ich werde eher versuchen, auf Erfahrungen und Erlerntes zurück zu greifen.
Das ist auf der einen Seite gut: Wenn wir alles in Frage stellen und uns jeden Morgen neu überlegen, auf welche neue Art und Weise wir uns die Zähne putzen, bliebe keine Zeit mehr für andere Dinge. Gleichzeitig kann das auch hinderlich sein, da ich nur im Routine Modus abarbeite. Alles was dann nicht in diese Routine fällt, führt zu einer Überforderung.
Mit anderen Worten: Je schneller zu einem Problem oder zu einer Vorgehensweise die Antwort "hochploppt", desto wahrscheinlicher bin ich im "Automatik-Modus" unterwegs. Wenn ich mir Gedanken darüber machen will, wie ich etwas anders löse, kann es deswegen hilfreich sein, nicht dem ersten Impuls zur Lösung zu folgen, sondern erstmal abzuwarten und über das Problem zu brüten. Ich reagiere also nicht sofort, sondern schaue, ob sich in der nächsten Zeit noch andere Lösungen offenbaren. Oft mache ich mir dann Gedanken, ob ich das Problem überhaupt alleine lösen muss. Vielleicht gibt es andere Menschen, die ich in die Lösung mit einbeziehen kann? Gibt es Andere, die positiv von meiner Lösung partizipieren könnten? Wo gibt es die Möglichkeit Win-Win-Situation zu gestalten? Besonders Win-Win-Situation finde ich in der Regel nicht durch schnelles Denken, sondern indem ich mir in Ruhe über etwas Gedanken mache. Der zweite natürliche Feind der Kreativität ist der Stress-Fokus.
Das bedeutet, dass ich ein Problem so sehr im Fokus habe, dass mein Kopf die ganze Zeit nur schreit "Das geht schief! Das geht schief! Das geht schief!" und ich aus dieser negativen Denkspirale nicht herauskomme. Das ist ungünstig, da ich mein Verhältnis zum Problem nicht mehr frei gestalten kann. Im schlechtesten Falle verhindert dieser Fokus sogar, dass ich überhaupt ins Tun komme.
Ich habe da ein persönliches Beispiel:
2018 war für mich unternehmerisch ein ziemlich bescheidenes Jahr: Zuerst hatte ich mir das Kreuzband beim Skifahren zerlegt und musste eine Zwangspause einlegen. Obendrein hatte ich noch einen schweren Krankheitsfall in der Familie und dann noch einen großen Auftrag nicht an Land ziehen können. Es gab zu jener Zeit Tage an denen ich fast gar nicht mehr aus dem Bett gekommen bin, weil ich dachte, die Welt geht unter. Ich habe mich selbst bemitleidet und dementsprechend auch nichts mehr für eine Lösung getan. Ich war im Problem-Fokus gefangen. Das Ganze hat sich erst dadurch gelöst, dass ich mir irgendwann innerlich gesagt habe: "Moment! Wenn mir jetzt mein Unternehmung aus den Fingern rutscht - also diese Existenz, die ich mir aufgebaut habe - dann bedeutet das ja nicht, dass ich selber weg vom Fenster bin, sondern ich existiere ja weiter, tue halt dann nur etwas anderes." Und da hat innerlich etwas "Klick" gemacht, weil ich erkannt habe, dass es auch kein Drama ist, falls ich meine Selbstständigkeit in die Tonne treten muss.
Ab da war ich wieder in der Lage, spielerisch an das Thema heran zu gehen und andere Dinge auszuprobieren. Ich habe bestimmte Vorgehensweisen im Vertrieb anders gestaltet und an Türen geklopft, die sich mir vorher gar nicht gezeigt haben. Dadurch haben sich neue Möglichkeiten ergeben, die dann zur Folge hatten, dass ich das Ganze Business im letzten Jahr wieder aufgebaut habe.
Wäre ich im Problemfokus, also in der Unbeweglichkeit geblieben, hätte das vermutlich nicht so geklappt. Jetzt mit Corona wiederholt sich zwar das ganze Spiel und gleichzeitig bleibe ich gelassen und denke, es wird sich schon finden, wenn Du nur an einer Lösung arbeitest.
Ist Zeitdruck ein Feind von Kreativität?
Es wird oft gesagt, dass Kreativität Zeit braucht. Ich weiß nicht, ob das unbedingt stimmt. Es gibt auch Herausforderungen, für die einfach keine Zeit bleibt, damit man sie in Ruhe löst. Ich glaube wichtiger ist es dann, dass man nicht wie ein Reh im Scheinwerferlicht stehen bleibt. Das Machen ist dann besonders wichtig, um herauszufinden wie man eine Situation entschärfen kann.
Das schaffe ich, indem ich meine Beziehung zum Problem "reframe" und die Ernsthaftigkeit versuche auszublenden. Das hat viel mit "spielerischem Ernst" oder "ernsthaften Spaß" zu tun. Wenn man in einer problematischen Situation steckt ist es die hohe Kunst, zu sagen "Ich tu jetzt mal so, als wäre das gar nicht so dramatisch und sehe mal was passiert". Und genau das kann ganz neue Lösungsräume eröffnen.
Du sagt Kreativität kann man trainieren.
Erzähl mal wie das geht!
Wenn wir zur Grundlage nehmen, dass Kreativität das Erleben der eigenen Selbstwirksamkeit ist und es darum geht, seinen eigenen Weg zu finden, dann heißt das, dass Kreativität sehr viel mit der Entwicklung des eigenen Denkens und der eigenen Wahrnehmung zu tun hat.
Der Kreativitätsforscher Edward De Bono hat mal gesagt: "Intelligenz ist gegeben, Denken ist eine Fähigkeit die man lernen muss." (Im Original: "Intelligence is something we are born with. Thinking is a skill that must be learned.")
Da Kreativität eng mit dem Denken verknüpft ist, trifft das auf sie genauso zu. Mit anderen Worten: Wenn ich auf eine Fragestellung die Antwort gebe, die ich immer gebe, dann hat das nichts mit Kreativität zu tun. in diesem Fall wiederhole ich nur Erlerntes und hänge im Autopilotmodus fest. Antworte ich aber auf eine Herausforderung im jeweiligen Kontext und möglichst neu, dann bin ich kreativ.
Insofern hat Kreativität viel mit dem Thema Achtsamkeit zu tun. Ich marschiere nicht im Autopilot-Modus durch die Welt, sondern nehme ganz genau wahr, was hier und jetzt passiert. Hat das, was gerade "hoch ploppt" mit einer alten Situation zu tun oder muss und will ich hier ganz neu und anders reagieren? Sich diese Frage immer wieder zu stellen, heißt die eigene Kreativität lebendig zu halten. Und es hilft gleichzeitig, aus Reiz-Reaktionsmustern rauszukommen.
Das ist mein Punkt 1: Denken und Wahrnehmung kann man trainieren. Kreativität ist das Resultat aus Denken und Wahrnehmung. Folglich kann ich auch meine Kreativität trainieren.
Für meinen zweiten Punkt brauchen wir ein passendes Bild:
Ich möchte mich sportlich mehr betätigen. Also denke ich mir: "Ich fange an zu laufen." Dann fange ich an zu laufen und am Anfang ist das noch schwer und mühsam. Ich schaffe keine lange Strecke, die kalte Luft brennt in den Lungen, mir geht schnell die Puste aus oder die Knie beschweren sich und wollen wissen, was los ist und wo die ganze Eile herkomme. Ich schaffe also erst mal nur eine kurze Distanz unter großer Anstrengung.
Beim nächsten Mal fällt mir das schon ein wenig leichter. Und je öfter ich das mache, desto längere Strecken kann ich hinter mich bringen.
Und es passiert noch etwas anderes: Ich, der vor einiger Zeit noch ein "Normal"-Mensch war, fange an mich "Jogger" oder "Läufer" zu nennen. Das kann so weit gehen, dass ich irgendwann einen Marathon abschließe. Dann bin ich ein "Marathonläufer".
Somit habe ich mich selber verändert: Über das bloße Machen, über den Vorgang des Laufens und dadurch, dass ich es in mein tägliches Tun integriert habe. Ich bin vom "Normalo" zum "Läufer" und vom “Läufer” zum "Marathonläufer" geworden. Ich bin immer schneller geworden, konnte eine größere Distanz hinlegen. Ich habe Laufen trainiert. Ähnlich ist es mit der Kreativität.
Mein Punkt 2 zusammengefasst: Kreativität ist wie ein Muskel. Je häufiger ich Kreativität anwende, desto stärker wird sie auch. Und so kann ich Kreativität trainieren.
Was noch wichtig ist:
Kreativität kann ich erst dann trainieren, wenn ich mich selbst als kreativ wahrnehme. Nur dann fange ich an mich für das Thema zu interessieren.
Und hier liegt gleichzeitig das Dilemma: Kreativität ist bei vielen Menschen als abstraktes Konzept sehr schwammig irgendwo in einer "künstlerischen" Ecke angesiedelt. Es gibt es viele Menschen, die sehr kreativ arbeiten, von sich selbst aber gar nicht sagen würden, dass sie kreativ sind.
Als konkretes Beispiel:
Ich bin in einem Unternehmen als Buchhalter beschäftigt. Mir fällt bei der täglichen Arbeit auf, dass es einen Prozess gibt, der nicht gut läuft, fehleranfällig ist und Mehrarbeit bedeutet. Ich beschließe, das zu ändern und passe den Prozess auf eine Weise an, die für mein Unternehmen neuartig ist. Dann ist das eine kreative Leistung. Würdest du mich - den Buchhalter - jetzt aber fragen, ob ich mich für kreativ halte, würde ich sagen: "Nö, ich bin doch hier nur so ein Finanzmensch, das hat doch nichts mit Kreativität zu tun."
Wenn wir Kreativität im Sinne von eigenverantwortlicher Problemlösungskompetenz begreifen, bekommen wir einen ganz anderen Bedeutungsraum. Und wenn Menschen verstehen, dass sie durchaus kreativer sind als sie ursprünglich dachten, dann wird es möglich das auch zu trainieren.
Dein Motto ist: "Wir haben uns verlaufen! Scheißegal, wir kommen gut voran."
Gibt es dazu eine Geschichte?
Das stimmt! Das ist aus einem Film - ich weiß gerade gar nicht ob das ob ich das absolut wortgetreu zitiert habe - und zwar aus Star Trek 5.
Da gab es irgendeine brenzlige Situation für Spock und Kirk und dieser kurze Dialog fiel. Das hat natürlich zu einem Lacher geführt. Und es ist bei mir hängen geblieben. Da sind wir wieder beim Thema Problem-Fokus, was ich schon damals als Teenager, als ich den Film gesehen habe, interessant fand: Wie in Anführungszeichen "entspannt und cool" die beiden bleiben, obwohl die Situation durchaus ernsthaft war. Das Zitat hab ich mir gemerkt und immer wieder an passender Stelle selbst angebracht.
Kreativität heißt, dass der Weg Teil des Ziels ist. Sie bedeutet, dass ich durch das Machen erst mal erkenne wo ich hinkomme oder was da gerade entsteht.
Das hat auch mit dem Thema Emergenz zu tun, also damit, dass so mancher Umweg erst zu einer Erkenntnis führt, die ich vorher nicht hatte. Und das wiederum hat viel mit Lernkultur zu tun. Bin ich in der Lage geschehene Fehler oder auch negatives Feedback als kleinen Goldschatz zu begreifen, weil ich Erkenntnisse erlangt habe, auf die ich durchs eigene Denken unter Umständen nicht gekommen wäre? Und kann ich gleichzeitig mit der Haltung voranschreiten "Nach oben geht's immer". Ich formuliere das gern so: "Bergaufwärts auf die Fresse fallen tut weniger weh!"
Ich denke es ist oft die Haltung, die kreative Menschen ausmacht. Kreativ zu sein heißt meist, gegen konformes Denken anzugehen. Wenn alle sagen, man müsse etwas "so" lösen dann sagt der Kreative: "Nee, muss ich nicht! Ich mach das anders!" Widerstände gehören für mich zum Spiel. Oder anders formuliert: Wenn ich Widerstände als natürlichen Bestandteil des Spiels begreife, dann kann ich wesentlich besser mit ihnen umgehen. Dann heißt es "Hurra wir haben ein Problem und da müssen wir jetzt ran". Und damit sind wir wieder bei meinem Motto!
Was war dein persönlich wichtigster Aha-Moment
bezüglich Kreativität bisher?
Das war vor ein paar Jahren, als wir bei den Wirtschaftsjunioren ein Netzwerkevent für Startups und etablierte Unternehmer auf die Beine gestellt haben. Wir hatten schon alles unter Dach und Fach, was noch fehlte war ein passender Name.
Wir saßen da also in einem Dreiertrüppchen und ich sagte "Lasst uns doch mal zum Namen brainstormen!" Daraufhin antwortete einer der anderen beiden, der selber Unternehmer war: "Ja, ne, macht ihr Zwei das mal! Ich bin nicht so der Kreative!"
Ich erinnere mich noch, dass mir bei dieser Aussage das Hirn komplett abgestürzt ist. Ich dachte, wie kann denn das sein? Da ist jemand Unternehmer, bezeichnet sich selbst aber nicht als kreativ?
Ich persönlich würde mal davon ausgehen, dass Unternehmer andauernd mit irgendwelchen neuartigen Problemen und Herausforderungen konfrontiert werde, und diese dann lösen müssen.
Mein Aha-Moment war, dass es Menschen gibt, die sich selbst aufgrund ihres beruflichen Backgrounds, der vielleicht nicht direkt zur Kreativwirtschaft zählt, nicht als kreativ betrachten. Nicht einmal dann, wenn sie kreative Denkweise ganz natürlich in ihr tägliches Tun integrieren.
Und die zweite Erkenntnis, die darauf folgte war: Wenn ich mich nicht als kreativ sehe, dann ist es natürlich auch schwer Kreativität zu trainieren.
Kreativität ist letztendlich etwas sehr Abstraktes. Etwas, das ich erstmal verstehen muss. Es gibt viele Menschen, die sagen Kreativität sei angeboren und entweder man ist kreativ oder eben nicht. Und das stimmt eben nicht, da Kreativität eine Fähigkeit ist, die jeder Mensch besitzt.
Meine Beobachtung damals war der ausschlaggebende Punkt, warum ich überhaupt beschlossen habe ein Training zum Thema Kreativität aufbauen.
Ich wollte den Teilnehmer*innen das für Ihre eigene Kreativität sensibilisieren. Damit möchte ich die Grundlage schaffen, um Leuten Spaß an Kreativität zu vermitteln, ihnen helfen sich selbst als kreativ zu begreifen und diese dann dementsprechend zu trainieren. Und in der Tat bekomme ich oft von Teilnehmer*innen nach dem Seminar zu hören: "Ich habe verstanden was Kreativität ist und ich merke ich bin kreativer als ich dachte".
Dieser Aha-Moment war also gleichzeitig die Geburtsstunde für mein Training.
Was lernt man in deinem Training „Agile Creativity“?
Für wen ist das Training das richtige?
Das Training ist das Richtige für alle, die Kreativität im Sinne von eigenverantwortlicher Problemlösungskompetenz besser kennenlernen wollen bzw. ihren eigenen, persönlichen Zugang zu Kreativität entdecken möchten, um eine Idee zu bekommen wie sie diese trainieren können.
Was sind die Learnings aus meinem Training? Ein großes Learning ist die eigene Kreativität zu erleben - vor allem für alle, die sich selbst nicht als kreativ bezeichnen würden.
Ansonsten gibt es sehr viele Tipps und Tricks zum Thema Wahrnehmung und Denken. Wie kann ich meine eigene Wahrnehmung und mein eigenes Denken schärfen, um anders und besser über Herausforderungen zu reflektieren? Was mir sehr wichtig war, ist das Thema Eigenverantwortlichkeit. Wie schaffe ich es dass die Teilnehmer sich selber in den Verantwortungs-Sitz hieven? Ich will, dass sie verstehen, dass sie für das, was sie in die Welt bringen wollen, die alleinige Verantwortung haben.
Das bedeutet, dass sie, wenn vielleicht eine Sache nicht klappt, die nötige Resilienz und Festigkeit mitbringen. Dranzubleiben ist halt etwas anderes als nur einmal zu probieren. Wenn etwas nicht klappt, wem gebe ich denn dann die Schuld? Meinem Chef? Meinen Kollegen? Meinem Kunden? Ne, ich muss auf mich selber schauen, wenn etwas nicht funktioniert hat und mich fragen, was ich anders machen kann, damit es doch funktioniert.
In meinem Training räume ich außerdem noch mit einigen Mythen auf, was Kreativität ist und wie Kreativität entsteht. Zum Beispiel dieses verbreitete Motto "Kreativität kann man nicht beeinflussen, sondern der Geistesblitz kommt einfach irgendwann von irgendwo her." Natürlich ist es ein Stück weit immer unkontrollierbar wann es letztendlich "pling" macht. Aber solange ich daran arbeite, dass es "pling" machen könnte, verbessere ich meine Chancen auf das der gewünschte Geistesblitz kommt. Wer vor dem weißen Blatt sitzt und darauf wartet, dass ihn die Muse küsst, der hat Pech, denn die Muse schmeißt sich gerade dem- oder derjenigen an den Hals, der*die einfach macht.
Warum ist Kreativität ein so wichtiger Erfolgsfaktor?
Warum ist es wichtig, dass Mitarbeiter nicht nur
kreativ sein dürfen, sondern diese Kompetenz auch aktiv ausbauen?
Schon wieder eine sehr gute Frage. Wir leben in Zeiten des krassen Wandels. Wir sprechen oft von der VUCA-Welt. (VUCA ist ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben von Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity) Usere Welt ist volatil, unsicher, komplex und doppeldeutig. Die Geschwindigkeit, mit der sich Dinge entwickeln und verändern hat extrem zugenommen. Ich glaube wenn man es wirtschaftlich betrachtet war Kreativität schon immer wichtig. Kreativität ist der Ursprung der Innovation. Indem zwei Dinge neu miteinander verknüpft werden entstehen überhaupt erst neue Angebote, Produkte, Märkte.Also der Erfinder des Dübels beispielsweise, hatte das Problem, dass deine Bilder immer von der Wand gefallen sind. Er hat sich gefragt, wie er das ändern kann, also wie die Sch***-Schraube mal irgendwie in der Wand bleibt. Vielleicht hat er sich von einer Angel inspirieren lassen...Jedenfalls wollte er das Problem mit Widerhaken lösen und ...zack...Dübel! und damit eine ganze Industrie.
Gleichzeitig ist es so, dass wir mittlerweile in einer Wissens- und Informationsgesellschaft leben. Als wir anfingen Wirtschaft zu betreiben waren wir eine Agrargesellschaft. Wir haben davon gelebt, dass wir Getreide und Gemüse angepflanzt, Tiere aufgezogen und die Waren dann untereinander getauscht haben.
Dann kam die Industrialisierung: Menschliche Arbeit wurde mechanisiert und automatisiert, und wir konnten Zeit sparen und für andere Sachen nutzen.
In diesem Kontext ist der sog. Taylorismus aufgekommen, also die Frage, wie ich vorhandene Prozesse immer besser machen kann.
Jetzt gerade findet ein Paradigmenwechsel statt. Man unterscheidet das Phänomen "Wandel 1. Ordnung" und "Wandel 2. Ordnung".
Wandel 1. Ordnung ist kontinuierlich, inkrementell und begrenzt auch vorhersehbar. Mit anderen Worten: ich habe das gleiches Spiel, und die Regeln ändern sich immer ein wenig. Der unternehmerische Fokus liegt auf der Wahrung des Status Quo oder auf Effizienz. Ich habe mir etwas ausgedacht, ich habe das auf den Markt geschmissen und jetzt mache ich es immer besser oder günstiger, um möglichst lang von meiner Erfindung Profit zu schöpfen. Der Fokus liegt auf der kontinuierlichen Verbesserung des Bestehenden und ich habe ein gewisses Maß an Planbarkeit.
Wandel 2. Ordnung bedeutet, das ganz neue Technologien oder Verhaltensweisen entstehen, die disruptiv sind. Dieser Wandel ist scheinbar nicht vorhersehbar und sehr radikal. Er stellt alles auf den Kopf. Da werden in einem Spiel nicht die Regeln geändert, sondern wir spielen ein ganz neues Spiel. Die unternehmerische Fokus liegt nicht auf dem Bewahren, sondern auf dem komplett neu Erfinden. Es ist, als ob man den Ast absägt, auf dem man sitzt, weil man merkt, dass der ein nicht mehr lange halten wird. Schumpeter bezeichnete dies bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts auch als “kreative Zerstörung” des Status Quo.
Das Phänomen Disruption wird aktuell viel besprochen und die wichtige Frage ist hier: "Machen wir eigentlich die richtigen Projekte?". Je mehr Disruption stattfindet, desto höher wird die Gefahr, dass ich von jemandem überholt werde, wenn ich mich auf meinem bisherigen Erfolg ausruhe.
Das gilt inzwischen für alle Bereiche. Nehmen wir das Beispiel N 26, eine Bank, die vor ein paar Jahren erst gegründet wurde. Heut ist sie eines der größten FinTech Unternehmen Deutschlands. Vor fünf oder sechs Jahren hätten sich die Leute von der Sparkasse oder der Deutschen Bank noch totgelacht, wenn denen jemand erzählt hätte, sie müssten sich vor Startups hüten. Die hätten gesagt "Quatsch, was wir Banken machen ist so kapitalintensiv und so stark reglementiert, da kommt kein Startup rein!" Aber N26 hat einfach die Usability verbessert und ...Bums, da waren sie und haben es seit letztem Jahr von einer Million angemeldeten Usern zu 2 Millionen geschafft. 100% Zuwachs innerhalb eines Jahres!
Zusammengefasst heißt das, Kreativität ist da wichtig, wo ich mich frage, ob ich noch die richtigen Dinge tue oder ob ich mich eigentlich neu erfinden muss. Und so wird es mehr und mehr für die ganze Arbeitswelt relevant, weil alle sich wieder bewegen müssen, da im Moment sämtliche Karten neu gemischt werden. Kreativität ist also darum so wichtig, weil sich durch sie neues Wissen entwickelt und mit diesem Wissen ist eine Neuerfindung erst möglich.
Von unserem Bildungssystem wird Kreativität leider nur sehr stiefmütterlich behandelt. Etwas Kreativität darf es im Kunstunterricht sein, aber eigentlich ist überall sonst eher Auswendiglernen und reproduzieren gefordert. Und jetzt gibt es die große Schwierigkeit, dass von ganz vielen Menschen gefordert wird, eigenverantwortlich kreativ zu denken, was sie aber nirgendwo gelernt haben und sich selber auch nicht als kreativ verstehen. Dabei ist Kreativität essentiell um mit der Komplexität des heutigen Wandels gut umgehen zu können.
Was können Führungskräfte denn tun um in ihren Teams Kreativität zu fördern und wertzuschätzen?
Ah, das ist eine gute Frage. (Anmerkung: ich liebe es, dass Daniel alle meine Fragen so feiert ;) Und dazu gibt es mehrere Antworten.
Eine wichtiger Aspekt ist hier, ob die Führungskraft die Teamzusammenstellung kontrollieren oder beeinflussen kann. Kann ich mir ein Team aussuchen oder bekomme ich ein fertiges Team vorgesetzt?
Szenario 1: Ich kann mir mein Team aussuchen. Da habe ich ein als Antwort ein schönes Zitat von Tina Fey, die gesagt hat: “In most cases being a good boss means hiring talented people and then getting out of their way.” Das ist sicherlich wahr, wenn du ein Team von hochgradig eigenverantwortlich agierenden Menschen hast. Stelle die zusammen, gibt denen eine Aufgabe, lass sie losrennen und schau' ab und zu mal vorbei, um zu sehen wie es denn gerade läuft und ob sie etwas brauchen. Die werden ihren eigenen (kreativen) Weg finden.
Szenario 2: Ich bekomme quasi ein Team vor die Nase gesetzt, mit dem ich irgendwie arbeiten muss.
Da würde ich sagen: Kreativität äußert sich bei jedem unterschiedlich und es ist wichtig, ein Gefühl dafür zu bekommen und diese Unterschiedlichkeit auch zu respektieren.
Es gibt Tüftler und Teamplayer. Teamplayer lieben es, mit anderen Menschen zusammen an einer Lösung zu arbeiten. Und für Tüftler gibt es nichts Schöneres, als irgendwo alleine in einem Raum zu verschwinden, um an der Idee rum zu schrauben.
Dafür ein Gefühl zu bekommen, ist extrem wichtig, denn es macht keinen Sinn, den Tüftler zu nötigen, indem man ihm sagt "Du musst jetzt mit einem Team arbeiten und dich permanent austauschen" Den Einzel-Tüftler lasse ich lieber in Ruhe in seinen Raum sitzen, weil er für sich so am besten klarkommt und auch die kreativsten Lösungen und Ideen hat..
Meine Hauptaussage : Respektiere den unterschiedlichen Zugang, den Menschen zu dem Thema Kreativität haben.
Gleiches gilt für das Thema Problembewusstsein. Ein Problem zu identifizieren ist auch schon Teil des Kreativitätsprozesses. Ich merke das oft, wenn ich mit Ingenieuren zu tun habe. Die sind sehr stark darin, sich auf das Problem zu fokussieren. Da sollte ich als Führungskraft lernen, damit zu arbeiten. Ich sollte versuche, das irgendwie umzudrehen und nutzbar zu machen. Der Problem-Fokus ist in divergenten Phasen, also in den Phasen in denen es darum geht auf viele neue Ideen zu kommen eher hinderlich. Wenn bei jeder Idee die aufgeschrieben wird, direkt gesagt wird "Das geht nicht, weil..." ist das kontraproduktiv. Aber es gibt auch hier Mittel und Wege, wie man damit umgehen kann. Es gelingt mit Wertschätzung für die Unterschiedlichkeit und damit denjenigen dann trotzdem zu integrieren.
Und auch hier stoßen wir wieder auf das Thema Achtsamkeit. Ich gebe Ideen und Meinungen Raum ohne sie bewerten zu wollen, weil gerade das in divergenten Phasen des Denkens nicht zuträglich ist. Jede Idee, die mit rein geschmissen wird ist willkommen und führt unter Umständen zu einer weiteren.
Gerade hier können Führungskräfte viel tun: Sich offen zeigen, Ideen zulassen, die Wertung erstmal zurückstellen, an den Ideen anderer mitarbeiten, sie weiterentwickeln, damit sich daraus etwas entwickelt.
Und natürlich hat auch Kreativität im Team mit Vertrauen zu tun. Den Mitarbeitern Vertrauen entgegenzubringen, ihnen Sicherheit zu geben und sie zu bestärken ist sehr hilfreich, um sich einer ungewöhnlichen Ideen weniger angstvoll zu nähern.
Die Schwierigkeit ist oft, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter zwar anspornen, jetzt mal richtig "Out of the Box" zu denken, sobald aber einer mit einer abgefahrene Idee ankommt, fragen: "Wer macht das denn noch?" Sie möchte sichergehen, dass es funktionieren wird, ansonsten gehen sie lieber das Risiko nicht ein. Neue Ideen sind gleichzeitig immer mit einem Risiko des Scheiterns verbunden. Wenn es einfach wäre, könnte es ja jeder.
Für mich setzt das ein bestimmtes Verständnis von Führung voraus. Ich muss mich als Teil des Teams begreifen, wenn ich eine Herausforderung habe und im Team lösen will. Wenn es schief geht, dann hat es nicht nur mein Team verbockt, sondern auch ich. Wenn etwas richtig Gutes dabei rauskommen ist, muss ich das auch nach außen vertreten. Ich muss die Idee verteidigen und darf nicht vom Ober-Ober-Boss auf den kleinstmöglichen verträglichen Konsens runterhandeln lassen.
Und ja, zu guter Letzt spielt natürlich das Thema Lernkultur mit rein. Wenn das Team etwas neues entwickelt, passiert natürlich auch Mist. Es ist nicht förderlich für die Kreativität mit Sanktionen darauf zu reagieren. Fehler passieren automatisch, wenn man etwas Neues macht. Wir lernen als Kinder zu gehen, indem wir auf die Nase fallen. Wenn ich damit rechne, dass mir auch mal Dinge links und rechts um die Ohren fliegen und ich im Team eine positive Haltung aufrechterhalten kann, dann schaffen wir das auch gemeinsam. Dann heißt es wieder "Bergaufwärts auf die Fresse fallen tut weniger weh!".
Daniel Urban ist Berater, Trainer und Coach.
Als Schweizer Armeemesser im Innovationsmanagement unterstützt er Unternehmen bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen.
Sattelfest in klassischen und agilen Managementprinzipien kennt er Start-Up, Mittelstand, Konzern, Non-Profit und das Ehrenamt. Daniel lehrt er an der Universität Wuppertal am Master für Innovations-entwicklung und ist als Sprecher auf Konferenzen zu den Themen Innovation, Design Thinking, Kreativität und Agilität unterwegs.
Du findest alle Informationen und die Kontaktdaten von Daniel auf
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